Karate und Sportpädagogik
Wenn man auf YouTube nach Kampfsport-Videos sucht, stößt man häufig auf Workouts, die schon echt spektakulär aussehen.
Dabei entsteht leicht der Eindruck, dass intensives Training zwangsläufig zu großartigen Ergebnissen führt.
Doch diese Workouts sind oft das Endergebnis jahrelangen Trainings und nicht das Training selbst.
In diesem Artikel teile ich, wie diese Erkenntnis mein eigenes Training beeinflusst hat und wie man durch gezielte Übungen effektiver lernen kann.
Das echte Training selbst sieht oft weniger spektakulär aus und besteht aus vielen Wiederholungen – ein Kick ist zum Beispiel nicht anderes als ein detaillierter Bewegungsablauf. Mit diesem Wissen und den Erkenntnissen aus meinem Studium habe ich mein privates Training angepasst und erziele jetzt mehr Fortschritte.
Der Prozess des Bewegungslernens
Während meiner Trainerausbildung habe ich viel über das Lernen von Bewegungsmustern erfahren. Das Prinzip ist einfach, aber oft vernachlässigt: Ein Bewegungsmuster – sei es ein Punch oder ein Kick – wird durch drei Stufen gelernt:
Grobkoordination: In dieser Phase ist die Bewegung noch unsicher und ungenau. Der Kick kann wackelig sein und der Punch trifft nicht immer das Ziel.
Feinkoordination: Hier wird die Bewegung präziser. Auch bei hoher Geschwindigkeit trifft der Punch häufiger sein Ziel und der Kick wird stabiler.
Stabilisierung der Feinkoordination: Dieser Schritt führt zur Automatisierung der Bewegung. Erst jetzt macht es Sinn, das Tempo zu erhöhen.
Praxisbeispiel: Mawashi-Geri
Ein konkretes Beispiel aus meinem Training ist der Mawashi-Geri. Bei mir befindet sich dieser Kick jetzt (Stand Grüngurt) noch in der Phase der Grobkoordination. Das bedeutet, dass er nur in etwa 20% der Versuche gut aussieht und funktioniert. Statt diesen Kick 100 Mal am Tag zu üben, habe ich gelernt, dass es effektiver ist, ihn 10 bis 20 Mal langsam und kontrolliert zu trainieren – dafür aber an so vielen Tagen in der Woche, wie möglich. So kann ich meinem Körper das Bewegungsmuster besser beibringen. Was dafür sehr wichtig ist:
Qualität statt Quantität
Übungsqualität ist King. Unser Muskelgedächtnis speichert nämlich auch unsaubere Ausführungen, daher ist es wichtig, Bewegungen präzise zu üben, selbst wenn das weniger spektakulär aussieht. Lieber täglich wenige Wiederholungen korrekt ausführen, als in einer langen Session unsauber zu arbeiten. Das habe ich tatsächlich nicht aus einem Studienheft, sondern von einem 9. Dan im Kyokushin gelernt (Link zum Interview).
Ein weiterer wichtiger Punkt, den ich gelernt habe, ist die Bedeutung der Übungsqualität. Unser Muskelgedächtnis speichert auch unsaubere Ausführungen, daher ist es wichtig, Bewegungen präzise zu üben, selbst wenn das weniger spektakulär aussieht. Lieber täglich wenige Wiederholungen korrekt ausführen, als in einer langen Session unsauber zu arbeiten.
Workout…muss…hart…sein?
Viele von uns tappen in die Falle zu denken, dass mehr immer besser ist. Gerade im Kampfsport gibt es eine Tendenz, Trainingseinheiten durch hohe Wiederholungszahlen und extreme Intensität zu definieren. (Und zugegeben -das macht auch echt Spaß) Aber genau das führt ganz oft zu einer Vermischung von Kraft- und Konditionstraining mit Techniktraining, was kontraproduktiv sein kann. Ein Muskelversagen während eines Krafttrainings mag das Ziel sein, aber in der Technikübung kann es dazu führen, dass Bewegungsmuster unsauber ausgeführt und somit falsch gelernt werden.
Die Rolle des Muskelgedächtnisses
Unser Muskelgedächtnis ist ein erstaunliches System. Es ermöglicht uns, Bewegungen zu automatisieren und ohne bewusste Anstrengung auszuführen. Gerade im Kampfsport ist das wichtig – ich sehe es zumindest nicht als sinnvoll an, im Freikampf lange über einen Block zu philoso – KLATSCH – phieren. Wenn wir aber Bewegungen schnell und schlampig ausführen, merkt sich unser Muskelgedächtnis diese Fehler. Ein unsauberer Kick, der immer wieder falsch geübt wird, wird zu einem schlechten Muster, das dann sehr schwer zu korrigieren ist. Und unsauber wird es immer dann, wenn wir das Tempo erhöhen ohne die Koordination zu haben – also dann, wenn wir etwas, das wir nicht können, direkt anwenden wollen.
Präzise Wiederholungen als Schlüssel zum Erfolg
Qualität bedeutet, sich die Zeit zu nehmen. Nicht lange, sondern oft.
Das kann passieren, indem man die Geschwindigkeit reduziert und sich auf die richtige Ausführung konzentriert. Beispielsweise kann ein Kick in vier langsame Schritte zerlegt werden, um sicherzustellen, dass jede Phase der Bewegung korrekt ist. Diese präzise Herangehensweise hilft nicht nur, das richtige Bewegungsmuster zu etablieren, sondern verhindert auch Verletzungen, die durch eine falsche Ausführung entstehen können. (Darf ich vorstellen – der Serienmörder der Hüften – Yoko Geri)
Ja, das ist unspektakulär
Durch die Konzentration auf die Qualität der Bewegungen am Anfang wird die Technik wesentlich präziser und zuverlässiger. Im Wettkampf oder in einer realen Selbstverteidigungssituation zahlt sich diese Präzision dann aus. Hier kommt es auf automatisierte, saubere Bewegungsmuster an, die schnell und effektiv ausgeführt werden können. Klar, keiner macht dann eine saubere Technik, aber es ist dann dennoch kontrollierter.
Achtung:
Das alles gilt dann, wenn du eine Bewegung neu lernst! Wenn du den Ablauf schon auf Stufe 3 – Automatisierung hast, ist dieses Training zwischendrin sicherlich sinnvoll, aber dann ist es Zeit für… die Übungsvariante in diesem Artikel hier. 😀
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